Die Philosophie des Lächelns

Man kann mit einem Lächeln so viel ausdrücken. Wie oft bekommen Frauen zu hören, sie sollten doch mehr lächeln. Wie häufig bekommt man in Karriereseminaren gesagt, man sollte immer lächeln. Doch ein Lächeln kann so viel bedeuten und im Zusammenhang sogar verletzend sein. Dieser Beitrag aus Der Bazar, 1857 zeigt die unterschiedlichen Arten auf:

Das Lächeln. Ein liebliches Lächeln ist für das Antlitz des Weibes, was ein Sonnenblick für eine Landschaft ist; es verschönert ein nicht schönes Gesicht, und macht sogar das häßliche angenehm. Nur muß das Lächeln nicht stehend werden, nicht der Ausdruck eines faden Wesens sein; es muß nicht einen Mundwinkel bewegen und den anderen in passiver Gleichgültigkeit lassen, denn dadurch erhält das Gesicht etwas Gezwungenes und Unnatürliches. Ein unangenehmes Lächeln zerstört die Linien der Schönheit und ist entstellender als das Zürnen. Das Lächeln ist sehr verschiedener Art, und jede Art hat ihren bestimmten Charakter. Ein Lächeln bekundet Güte und Sanftheit – ein anderes Spott und Bitterkeit – oder Stolz; eines mildert die Züge durch den Ausdruck sanfter Zärtlichkeit, ein anderes erleuchtet sie durch geistvolle Lebhaftigkeit. In den Spiegel schauen und dort ein Lächeln lernen wollen, ist jedoch nicht halb so gut, als in sich hineinzuschauen und zu wachen, daß das Herz vom Bösen unbefleckt, und von schönen und lieblichen Gedanken erleuchtet sei. Wenn das Herz rein ist, wird das holde Lächeln auf der Lippe nicht fehlen.

Dass in der Körpersprache so viele Bedeutungen zu finden sind, hat wohl auch George Vasey dazu beflügelt, ein Buch über die Philosophie des Lachens und Lächelns zu veröffentlichen (1875, auf Englisch):

Bild: Anton Einsle, Frau in rotem Kleid, 1838

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