Sylvesterpunsch

In Der Bazar aus dem Jahre 1892 findet sich diese Abhandlung zur korrekten Zubereitung von Punsch sowie drei Rezepte, deren Alkoholgehalt mit Sicherheit einen Kater am nächsten Tag hervorrufen, wenngleich – wie in der Einleitung beschrieben – mit qualitativ hochwertigen Zutaten, dieser wohl mit einem positiveren „frohen Gemüt“ einhergeht.

„Nur der Hundertste kann es“, pflegte mein Onkel zu sagen, nämlich – einen ordentlich Punsch brauen, und meine Erfahrungen haben oft diese Meinung bestätigt bei Hausfrauen wie bei Hausherren, selbst wenn diese mit Selbsbewusstsein Schillers Punschlied: „Vier Elemente, inig gesellt, bilden das Leben, bauen die Welt“ dabei zitieren sollten. Bei den hausfrauen ist es sehr häufig die Neigung zur Sparsamkeit, die ihre Kunst scheitern läßt, sie meinen, bei dem zusammengesetzten Gebräu schmeckt man das Einzelne doch nicht so heraus, als daß man nicht so billige Zuthaten wie irgend möglich nehmen könnte. Zwar die vier Bestandteile des Punsches unserer Voreltern: Zitrone, Zucker, Wasser und Rum, genügen uns heute nicht mehr, Wein gehört unumgänglich zu einem feinen Punsch, und vielfach ist auch ein Theeauszug beliebt, und beide Zuthaten schließen sich harmonisch den vier ersten Bestandteilen an. Von diesen Zuthaten wird die sparsame Hausmutter nichts fehlen lassen, aber frohen Gemütes wird sie einen sauren Mosel, einen billigen Rotwein, einen schlechten Rum und, wenn sie einen Theeauszug zusetzt, auch diesen von einer nicht allzu teuren Sorte nehmen, dies alles wohlgefällig mischen und diesen Sylvesterpunsch ohne die geringsten Gewissensbisse servieren. Und die Folgen? „Punsch wolln wir doch nicht wieder trinken, bekömmlich ist er nie,“ so klagt am anderen Morgen jung und alt, mein Onkel würde hier nun wieder eine große Moralpredigt halten – ich aber möchte statt dessen das Geheimis eines vorzüglichen Punsches verraten und mehrere gute Rezepte dafür mitteilen. Gute Zuthaten und Abbrennen des Rums auf Zucker, dieser Satz enthüllt das ganze Geheimnis, und ich kann sofort zu den Rezepten übergehen.

Da wir nun also die korrekte Zubereitung erfahren haben, steht der Zubereitung nichts mehr im Wege:

Feinster Sylvesterpunsch

Man nimmt zur Bereitung jeglichen Punsches nur für diesen bestimmte Geschirre (also niemals Suppenterrinen, wie dies oft gebräuchlich), da Punsch außerordentlich leicht den Gefäßen noch anhaftenden Geschmack annimmt. 1/2 kg besten Zucker zerschlägt man, legt ihn in das bestimmte Gefäß, übergießt ihn langsam mit 1 Liter sprudelnd kochendem Wasser und fügt, sowie der Zucker geschmolzen ist, eine Flasche Rheinwein (Rüdesheimer, Hochheimer oder Scharlachberger) und eine Flasche guten Rotwein (Pontet-Canet, Lalagune oder roten Ingelheimer) hinzu. Man gießt nun diese Flüssigkeit in einen weißemaillierten neuen Kochtopf, läßt sie bis vors Kochen kommen, giebt den Saft zweier Zitronen hinzu und brennt nun auf 250g Zucker eine halbe Flasche besten Jamaikarum ab, wobei der Punsch heiß bleiben muß, aber nicht kochen darf. Das Abbrennen geschieht, indem man ein Stück Zucker in einen silbernen Löffel legt, mit Rum durchtränkt und mit einem Fidibus anzündet. Man läßt den brennenden Rum in die Flüssigkeit laufen, gießt immer allmählich neuen Rum zu und ersetzt auch den aufgelösten Zucker, bis man nach und nach Zucker und Rum verbraucht hat. Man gießt alsdann den fertigen Punsch wieder in das erste Gefäß zurück, fügt nach Belieben noch eine halbe Flasche Schaumwein hinzu und serviert ihn sofort. Dieser Punsch kann natürlich auf das mannigfachste verändert werden; statt Zitronensaft kann man Apfelsinen oder Mandarinensaft nehmen, wer es liebt, kann zu dem noch etwas Vanille in einem Gazebeutelchen ausziehen lassen. Sehr fein wird der Punsch, wenn man beim Servieren eingemachte oder frische, eingezuckerte Aprikosenscheiben, Pfirsichstücken, Erdbeeren oder Ananaswürfelchen hinenthut.

Feiner Eierpunsch

Man erhitzt zwei Flaschen Rheinwein mit zwei Glas Sherry und brennt, wie im vorhergehenden Rezept, ein großes Glas Rum mit 125g Zucker über der heißen Flüssigkeit ab. Indes schlägt man in der Bowle 18 Eidotter mit 500g feinstem Zucker so lange, bis die Masse einen steifen Schaum bildet. Dazu fügt man unter fortgesetztem Schlagen die kochend heiße Weinflüssigkeit, wobei der Punsch durch und durch schäumig werden muß und dann sofort aufgetragen wird.

Aus dem daraus überbleibenden Eiweiß lassen sich Baiser-Speisen, Kokos-Makronen oder Zwieback herstellen, oder auch Eiweiß-Omelette etc.

Königspunsch

Man reibt die Schale einer Zitrone an 400g Zucker ab, fügt den Saft von drei Früchten hinzu und löt den Zucker mit 1/2 Liter kochendem Wasser auf. Dann überbrüht man 20g feinsten Peccothee[*] mit 1/2 Liter Wasser, läßt ihn eine Minute ziehen und fügt den Auszug zu dem aufgelösten Zucker. Außerdem gießt man 1/2 Liter Ananassaft, zwei Flaschen Rheinwein, zwei Gläser Maraskino, 1/4 Liter Cognak hinzu, brennt 1/4 Liter Rum über dieser Flüssigkeit ab, giebt eine Flasche Champagner hinzu und serviert diesen Punsch nach Belieben warm oder kalt.

* Peccothee ist die Bezeichnung für einen in dieser Zeit gehandelten chinesischen Schwarztee.

Diese ganz besonderen Punsch-Rezepte sind mit Sicherheit ein Highlight für jede Sylvester-Party und werden den Gästen im Gedächtnis bleiben, auch wenn sie sich am nächsten Tag vielleicht an sonst nichts mehr erinnern.

 

Bild: Sylvesterpunsch. Nach einer Originalzeichnung von E. Wagner. – Die Gartenlaube, 1893

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