Zur Jahrhundertwende gibt es sehr typische, einfache Rockschnitte, die immer wieder auftauchen. Nachdem ich in letzter Zeit vor allem das Blatt der Hausfrau durchgeblättert habe, sind mir diese beiden Schnittmuster direkt aufgefallen, da sie nicht auf Schnittmusterbögen enthalten sondern einzeln im Heft abgebildet waren.
Der erste Schnitt zeigt die Konstruktion eines für diese Zeit typischen Rock-Teils mit einer geraden Vorderbahn, die meist im Stoffbruch zugeschnitten wird, und einer weit ausgestellten runden Bahn, die Volumen für den rückwärtige Teil bietet. Die hier gezeigte Konstruktion ist für „junge Mädchen“, lässt sich aber durch Anpassen der Taille und Länge auch für ausgewachsene Frauen verwenden.
Zwei Kleider für junge Mädchen
Man kann die Kleider ebenso gut aus farbigen wie aus schwarzen Stoffen nacharbeiten. Die Räcke beider Vorlagen sind rückwärts an jeder Seite zu einer gegen den Schlitz gerichteten Falte gelegt. Der erste Rock ist außerdem etwa 12cm vom unteren Rand entfernt mehrfach abgesteppt. Das anliegende Taillenfutter des ersten Kleides schließt vorn in der Mitte und wird im Rücken mit unten eingereihtem und noch oben glatt genommenem Stoff bekleidet. Der Oberstoff der Vordertheile ist ebenfalls unten eingereiht und oben glatt; oben ist er über einem nach links überhakenden Latz mit entsprechendem Stehkragen ausgeschnitten. Den weiteren Aufputz bildet ein großer, runder Schulterkragen, der ebenso wie der übertretende Rand des rechten Vordertheils den Zierknöpfe anscheinend festhalten, mit Sammtband und Stepperei verziert wird. Auch die engen Ärmel zeigen gleichen Besatz. Das anliegende, vorn in der Mitte geschlossene Futter der Taille des zweiten Kleides ist im Rücken und vorn in der Form einer Passe mit Seide bekleidet, die in Längsreihen mit Sammtband besetzt ist, und der sich der unten eingereihte Oberstoff glatt anschließt. Den Ausschnittrand und auch den vorderen Rand des rechten, nach dem linken übertretenden Vordertheil besetzt Sammtband. Der Stehkragen, der überschlagend gehakt wird, ist mit kleinem Umlegekragen ausgestattet. Die Blusenärmel sind in Sammtbünchen gefaßt.Mit Abb. 36 wird die Schnittübersicht zu den Röcken gezeigt. Man bringt die Theile auf die richtige Größe und schneidet nach den gewonnenen Mustern die Vorderbahn einmal im Stoffbruch läng der Mittellinie und die Hinterbahn zweimal zu. Nachdem man die Bahnen zusammengenäht hat, führt man die kleinen Abnäher der Figur entsprechend aus und legt den rückwärts in der Mitte überstehenden Stoff an jeder Seite zu einer gegen den Schlitz gerichteten Falte.
Der zweite Schnitt ist ein glockiger Bahnenrock, wie er zur Jahrhundertwende gerne verwendet wurde. Die Bahnen sind häufig nach hinten hin länger und werden im unteren Teil ausgestellt, um den glockigen Effekt zu erzielen. Sie fallen dadurch oben herum eher schmaler aus, schwingen aber beim Gehen ganz besonders schön um die Knie.
Kleid für ältere Damen
Das Kleid, das in der Vorlage aus Seide gefertigt ist, kann auch aus Wollstoffen nachgearbeitet werden. Der Rock kann in der aus der Abb. 39 ersichtlichen Weise mit Sammetband besetzt oder auch ohne Besatz gelassen werden. Er ist mit geschweiften Bahnen gearbeitet und rückwärts an jeder Seite zu einer gegen den Schlitz gerichteten Falte geordnet. Die Taille tritt über den Rock; sie ist anliegend gehalten und nur vorn in der Mitte etwas eingereiht. Die Vordertheile sind über einem Einsatz ausgeschnitten, der zu Fältchen abgenähte Seide zeigt und am Ausschnittrand mit einem Passementeriekäntchen besetzt wird. Den unteren Taillenrand begrenzt ein Sammtband. Die Ärmel sind am Handgelenk ausgebogt und ebenfalls mit Sammtband besetzt.Abb. 38 gibt die Schnittmusterübersicht für den Rock. Man hat zunächst die Theile auf die richtige Größe zu bringen; nach den Mustern schneidet man die Vorderbahn einmal im Stoffbruch längs der Mittellinie, di Seitenbahnen und die Hinterbahn je zweimal zu. Um die Hüften muß der Rock, den man in gewohnter Weise fertig macht, sorgsam angepaßt werden, damit er sich faltenlos der Figur anschmiegt. Rückwärts in der Mitte wird der überstehende Stoff an jeder Seite zu einer gegen den Schlitz gerichteten Falte geordnet.
Leider gibt es die entsprechenden Schnittmusterbögen dazu nicht, um die Oberteil-Schnitte zu ergründen. Da die entsprechenden Taillen aber variabel sind, lässt sich ein passendes Schnittmuster anderweitig finden, zum Beispiel aus dem Vorjahr 1900 (s. ÖNB ANNO – Blatt der Hausfrau 1900). Diese Rock-Schnitte sind jedenfalls üblich für die Jahre um 1900 und lassen sich so auch in unterschiedlichen Designs und Stoffen fabrizieren.
Michaela Thalhamer
Wahnsinn, sooo toll 🙂
Danke, habe super viel Material für meine Präsentation und Prüfung 🙂
Lg Michaela